Politik

Parteienfinanzierungen durch Öffentlichkeitsarbeit – ist das erlaubt?

Seit vielen Jahren schon ist es gang und gäbe, dass Bundestagsfraktionen für ihre Parteien in sozialen Netzwerken werben. Der Bundesrechnungshof hat dies scharf kritisiert. In der Konsequenz soll nun eine Gesetzesänderung auf den Weg gebracht werden, die genau diese gängige Praxis klar legalisiert. Die folgenden drei Beispiele helfen gewiss, besser zu verstehen, was hier konkret gemeint ist:

  • Im September 2023 erläuterte die AfD auf Instagram, warum die Ampel „fertig hat“ und was die AfD klar besser machen würde.
  • Eine sechsteilige Serie von YouTube-Videos wurde durch die Bundestagsgruppe des BSW beworben. Darin geht es um Interviews, die Sahra Wagenknecht mit Persönlichkeiten aus Kultur und Politik führt.
  • Auf Facebook hat die SPD ein Video platziert, das erklären soll, warum die AfD als demokratiefeindlich eingestuft wird, obwohl sie doch demokratisch gewählt worden ist.

Neben dem Account der jeweiligen Partei auf YouTube oder Instagram gibt es noch weitere Kanäle der Bundestagsfraktionen. Doch es gelten Regeln für all jene Fraktionen, die sich aus Steuermitteln finanzieren. Zum Beispiel dürfen sie gemäß Abgeordnetengesetz über konkrete Fraktionstätigkeiten informieren. Wahlwerbungen oder das Herausposaunen parteipolitischer Standpunkte soll aber nicht via Social-Media-Beiträge erfolgen. Genau diese Einschränkung wollen die Fraktionen nun gesetzlich verschwinden lassen.

Aber warum eigentlich sollen Fraktionen nicht für ihre Parteien werben. Es geht in Deutschland immer wieder um Gleichbehandlung, denn fraktionslose Mitglieder des Bundestages haben dadurch das Nachsehen, ebenso alle kleineren Parteien, die nicht im Bundestag vertreten sind und keine Fraktionsmittel erhalten, siehe dazu auch:

Der Bundesrechnungshof hatte sich Social Media Accounts vor der Bundestagswahl 2021 genauer angesehen und kam zu dem Ergebnis, dass etliche Beiträge unmittelbar partei- und wahlwerbend gewesen sind, indem sie das Wahlprogramm, Interviews mit Direktkandidaten von Wahlkreisen, werbende Botschaften von Parteivorsitzenden und Streams von Fernseh-Wahlsendungen enthielten, was alles nicht zulässig ist.

Immerhin können sich die Fraktionen die Mittel dazu selbst bewilligen und auf diese Weise eindeutige Parteiaufgaben finanzieren. So läuft das bis zum heutigen Tage.

Alexandra Bäcker arbeitet am Düsseldorfer Institut für Deutsches und Internationales Parteienrecht und Parteienforschung der Heinrich-Heine-Universität. Das SPD-Video über die angebliche Demokratiefeindlichkeit der AfD findet sie „grenzwertig“, da es sich in keiner Weise mit den verfassungsfeindlichen Tendenzen der AfD-Fraktion und auch nicht mit den Abgeordneten und deren Einfluss auf die parlamentarische Arbeit auseinandersetzt. Lediglich die Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz und ihre Teilnahme am Parteienwettbewerb werden im Video thematisiert. Welche Relevanz dies alles für die Arbeit der SPD-Fraktion im Bundestag hat, komme dabei überhaupt nicht heraus.

In der BSW-Video-Serie wird mitnichten über die Tätigkeit der BSW-Gruppe beziehungsweise deren Abgeordnete berichtet, sondern vorrangig über die politischen Ansichten.

Im AfD-Beitrag geht es kaum um die Tätigkeit der aktuellen Fraktion, sondern eindeutig um Wahlwerbung. Alle Beiträge befinden sich noch in den Werbedatenbanken von Facebook und Google, woraus geschlossen werden kann, dass die Fraktionen ihre unzulässigen Beiträge mit einem Werbebudget zwischen 50 und 1.500 Euro verknüpft haben.

Aufgrund der berechtigten Kritik des Bundesrechnungshofes haben die Regierungsfraktionen und jene von CDU/CSU vor der Sommerpause 2024 diesen Gesetzentwurf eingebracht. Doch anstatt endlich eine Trennung zwischen Öffentlichkeitsarbeit der Parteien und der Fraktionen vorzunehmen, wird darin eher ein Blankoscheck formuliert, dahingehend, dass Öffentlichkeitsarbeit zukünftig die Exposition allgemeiner politischer Standpunkte und einen Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern mit Blick auf die parlamentarisch-politische Arbeit beinhalten soll.

Johannes Fechner (SPD) bemerkte in seiner Rede, dass die Vermittlung allgemeiner politischer Standpunkte über Social Media für die SPD-Fraktion ein absolut berechtigtes Interesse darstellt und Fraktionsmittel sehr wohl dafür verwendet werden, und zwar auch während der letzten sechs Wochen vor der Bundestagswahl, wenn es um einen „besonderen parlamentarischen Anlass“ geht und den gibt es ja eigentlich immer.

Die Parteienforscherin Alexandra Bäcker findet den Gesetzentwurf sehr bedenklich, denn durch die darin vorgesehene Form der Öffentlichkeitsarbeit verstärkt die Fraktionen die „Wirkmacht“ ihrer Parteien, was ganz klar eine massive Wettbewerbsverzerrung ist.

Der Bundesrechnungshof monierte in seinem Bericht nach § 99 BHO, dass der neue Gesetzentwurf erhebliche verfassungsrechtliche Risiken berge. Zum Beispiel könnte die staatlich finanzierte Öffentlichkeitsarbeit einer Fraktion als unzulässige Parteispende angesehen werden. Im Übrigen fehle ohnehin ein wirkungsvoller Sanktionsmechanismus gegen Verstöße.

Der Gesetzentwurf muss nun noch im Bundestag durch die zweite und dritte Lesung.

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Dieser Beitrag wurde am 09.10.2024 erstellt.

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