Die Gesetze, die die Europäische Union (EU) in Brüssel oder Straßburg beschließt, sind meistens ein eher ungeliebtes Add-on, das die Bürger Europas noch zusätzlich zu ihren vielen nationalen Gesetzen aufgebrummt kriegen, was ihnen das Leben nicht einfacher macht, aber deutlich viel mehr Bürokratie bedeutet. Wer da mal so einen Punkt nicht beachtet, steht schon mit einem Bein im Gefängnis, oder auf den Punkt gebracht: Die EU liebt es, ihre Bürger zu kriminalisieren.
Nach außen hin legitimiert die EU ihre „Schaffenskraft“ mit der Notwendigkeit der Begrenzung der Macht von Digitalkonzernen oder der Regulierung des Umgangs mit der immer weiter um sich greifenden Künstlichen Intelligenz. Weitere plakative Themen, die die EU gern besetzt, sind die Einhaltung von Menschenrechten oder die Kontrolle der Lieferketten, nicht zuletzt auch im Sinne des Umweltschutzes.
Zu all dem gibt es den Trilog, das sind die alles entscheidenden Verhandlungen zwischen dem EU-Parlament, der EU-Kommission und den Mitgliedsstaaten. Doch das findet schön im Verborgenen statt, um gerade auch die Lobbyisten ungesehen ihren begehrten Einfluss ausüben zu lassen. Es geht die Öffentlichkeit schließlich nichts an, wie solche Verhandlungen verlaufen und wer da welche Positionen vertritt.
Jedenfalls weigert sich die EU, Dokumente über die Verhandlungen herauszugeben, obwohl das Europäische Gericht im Jahre 2018 geurteilt hat, dass die Öffentlichkeit sehr wohl ein Recht auf solche Informationen hat. Daher besteht zumindest seitens LobbyControl die berechtigte Forderung, alle Dokumente der Trilog-Verhandlungen aktuell zu veröffentlichen.
Die Trilog-Verhandlungen kurz erläutert
Sie sind bei der Europäischen Union ein gewichtiger Teil des Gesetzgebungsverfahrens. Immerhin werden bis zu 80 Prozent der EU-Gesetze im Rahmen eines Trilogs verhandelt. Hierbei versuchen die EU-Kommission, das EU-Parlament und der Rat der Mitgliedsstaaten Einigungen über ihre zuvor definierten Verhandlungspositionen zu erzielen. Insofern sind die Trilog-Verhandlungen stets die entscheidende letzte Phase in der EU-Gesetzgebung.
Was sind die 4-Spalten-Dokumente?
Der Verlauf der Trilog-Verhandlungen wird jeweils im „4 column document“ (4CT) notiert. Die ersten drei Spalten enthalten die Positionen von Kommission, Parlament und Rat der Mitgliedsstaaten, die vierte Spalte gibt stets den vorläufigen Kompromissvorschlag wieder. Nach jeder politischen Runde eines Trilogs müssen die Vier-Spalten-Dokumente aktualisiert werden, damit jeder Beteiligte den Verhandlungsfortschritt nachvollziehen kann. Das alles findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, damit die Bevölkerungen der EU-Länder eben nicht ihre demokratischen Rechte der Mitbestimmung wahrnehmen können. Dies steht in absolutem Widerstreit zur angestrebten Stärkung der europäischen Demokratie und damit auch zur gewünschten Akzeptanz des europäischen Projekts insgesamt.
Das sieht offenbar auch das Europäische Gericht so, das als Teil des EU-Gerichtshofs aufgefasst werden kann. Im „Capitani-Urteil“ hat es 2018 entschieden, dass das EU-Parlament auf Antrag den Zugang zu diesen Dokumenten, die eine laufende Triloge abbilden, gewähren muss. Die Begründung dazu klang so:
„Die Ausübung der demokratischen Rechte der Bürger setzt voraus, dass es ihnen möglich ist, den Entscheidungsprozess innerhalb der an den Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe im Einzelnen zu verfolgen und Zugang zu sämtlichen einschlägigen Informationen zu erhalten.“
Sehr wohl kann die Herausgabe der Dokumente nach Ansicht des Gerichts verweigert werden, aber nur dann, wenn dadurch schwere Beeinträchtigungen des Entscheidungsprozesses entstehen.
In der Realität werden aber Informationsanfragen zu den 4-Spalten-Dokumenten meistens abgelehnt. Manchmal lässt man sich dazu herab, sie nach Ende der Verhandlungen doch noch zu beantworten, was dann aber nur noch einen Wert für Historiker hat. So wiederholt geschehen zum Beispiel im Zuge der Verhandlungen zum Digital Markets Act.
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