Politik

Nebeneinkünfte der Abgeordneten – Neue Regeln

Seit dem Start dieser Wahlperiode ist das neue Abgeordnetengesetz nun schon in Kraft. Lässt sich daraus bereits ein Benefit für die deutsche Bevölkerung ableiten?

Die Abgeordneten müssen jetzt ihre Nebeneinkünfte auf den Cent genau offenlegen, wenn sie für eine bestimmte Tätigkeit über tausend Euro pro Monat oder mehr als 3.000 Euro pro Jahr erhalten. Bislang lag der Grenzwert für das Erfordernis einer Ausweisung bei 10.000 Euro pro Jahr, wobei die Höhe der Einkünfte lediglich in groben Stufen angegeben werden mussten.

Der Spiegel und Abgeordnetenwatch haben sich mal die Daten der einzelnen Abgeordneten im Bundestag näher angesehen und die Spitzenverdiener herausgesucht. Zuvor wurden diese Leute der Stufe 10 zugeordnet, also jener pauschalen Nebeneinkünfte-Kategorie über 250.000 Euro, was auch immer dies genau hieß. Der derzeitige Spitzenreiter ist zum Beispiel der CSU-Politiker Sebastian Brehm. Er nahm neben seinem Mandat fast 3,5 Millionen Euro mit seiner Steuerberatungskanzlei ein.

Mit dem neuen Gesetz wurde endlich das schon lange geforderte Lobbyverbot umgesetzt. Der folgende Satz macht exakt diese Aussage: „Unzulässig neben dem Mandat ist die entgeltliche Interessenvertretung für Dritte gegenüber dem Bundestag oder der Bundesregierung.“ Darüber hinaus ist beispielsweise die entgeltliche Beratung von Unternehmen verboten, wenn dabei die Mandatsausübung berührt wird. Also bereits eine Beratung, die eine Lobbyarbeit gegenüber dem Bundestag tangiert, ist nun nicht mehr möglich.

Aber schauen wir uns ein paar konkrete Beispiele an, die uns zeigen, wie gut einzelne Abgeordnete das neue Gesetz verstehen.

Der ehemalige Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) geht jedenfalls gleich mehreren Jobs nach, die einen klaren Lobby-Bezug haben. Als Präsident von „Ghorfa Arab-German Chamber of Commerce and Industry“ bekommt Ramsauer 3.750 Euro pro Monat. Das klingt nicht nach einer ehrenamtlichen Interessenvertretung, die das Gesetz ja erlauben würde.

Ein Verbandspräsident, der nicht im Sinne einer Lobbyarbeit berät und keine bestimmten Positionen gegenüber dem Bundestag, der Bundesregierung oder den Bundesministerien vertritt, bekommt also seit circa neun Jahren insgesamt um die 400.000 Euro für nichts?

Nebenbei ist Ramsauer auch noch selbstständiger Strategieberater. Diesbezüglich gibt er zu, dass er bereits einen „Mandant 2“ sowie einen „Mandant 3“ beraten hat. Es fanden also (verbotene) entgeltliche Beratungen mit Mandatsbezug statt.

Das neue Abgeordnetengesetz sieht vor, dass die Abgeordneten ihre Kunden angeben müssen, es sei denn, sie können sich als Anwalt oder Steuerberater auf das Verschwiegenheits- oder Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Für Strategieberatungen gilt dies aber nicht. Nun gibt es allerdings jene hilfreiche Übergangsbestimmung, die besagt, dass Mandanten, die schon vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes beraten worden sind, nicht unbedingt offengelegt werden müssen.

Außerdem gibt es noch den gesetzlichen Mandantenschutz. Für diese Fälle besagt die neue Regelung, dass zumindest die Branche bezeichnet werden muss, in der der Mandant tätig ist, es sei denn, der Abgeordnete erklärt glaubhaft, dass der Vertragspartner durch die Branchenbezeichnung direkt identifiziert werden kann.

Dieses Schlupfloch wird natürlich sehr gern genutzt. Als Steuerberater für vorrangig mittelständische Unternehmen und CDU-Schatzmeister führt Sebastian Brehm die Liste der Nebeneinkünfte an. Bei keinem einzigen seiner mehr als 200 Mandanten gibt er die Branche an. Ob die wohl alle sogleich zu identifizieren wären? Nun ja, im Dunkeln ist bekanntlich gut munkeln und mögliche Interessenkonflikte bleiben schön im Verborgenen.

Viele Abgeordnete sind vor, während und auch noch nach ihrem Mandat in Initiativen und Vereinen aktiv, was ja gut ist, und deshalb ist eine ehrenamtliche Interessenvertretung für Dritte grundsätzlich erlaubt. Allein die formale Definition des Ehrenamtes lässt die Augenbrauen hochschnellen. Wenn die Aufwandsentschädigung weniger als zehn Prozent der Abgeordnetendiät ausmacht, dann ist von einem Ehrenamt die Rede. Orientiert an den aktuellen Abgeordneten-Diäten darf die sogenannte Aufwandsentschädigung also bis zu 1.030 Euro pro Monat betragen.

Wie auch immer, ehrenamtliche Lobbytätigkeiten können sehr wohl zu Interessenkonflikten führen. Betrachten wir dazu den tourismuspolitischen Sprecher und begeisterten Camper Stefan Zierke (SPD). Seit März 2022 ist er ehrenamtlicher Präsident des „Bundesverbandes der Campingwirtschaft in Deutschland“ (BVCD). Diesem verschafft Zierke nun einen privilegierten Zugang in den Tourismus-Ausschuss, den andere Tourismus-Verbände gewiss gerne hätten.

In 2022 veröffentlichte der Journalist Christian Fuchs via Twitter einen Brief des BVCD an den Tourismus-Ausschuss des Deutschen Bundestages. In seiner Eigenschaft als Mitglied dieses Ausschusses hat Zierke über die in dem Brief formulierten Forderungen „seines“ Verbandes zu beraten. Vertritt er dann die Interessen der Steuerzahler oder des BVCD?

Henning Otte ist verteidigungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, Vizevorsitzender des Verteidigungsausschusses und Vizepräsident „Politik des Förderkreises Deutsches Heer e. V.“ (FDH) in einer Person. Weitere erlauchte Mitglieder im Präsidium sind Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses) und Michael Hellmich (SPD-Verteidigungspolitiker). Diese Abgeordneten sind „ehrenamtlich“ für Lobbyorganisationen tätig, die der Rüstungsindustrie sehr nahestehen.

Abgeordnete wären politisch glaubwürdiger, würde man sich nicht ständig in der unklaren Situation befinden, ob der Politiker gerade als Verbandsfunktionär oder eben als Abgeordneter agiert.

Michael Hennrich (CDU) war Vorstandsvorsitzender des Regionalverbandes „Haus und Grund“ Württemberg. Für seine Lobbyarbeit erhielt er 2.750 Euro pro Monat. Ein Interessenkonflikt konnte er nicht erkennen, weil er ja nicht für den Bundesverband tätig war.

Und in der Tat war das kein Verstoß gegen das Abgeordnetengesetz, weil Hennrich formal nur auf Landesebene Interessen von „Haus und Grund“ vertrat, wenngleich jedem klar ist, dass sich die Interessen des Landesverbandes von Haus und Grund und jene des Dachverbandes auf Bundesebene wohl kaum signifikant unterscheiden.

Zur Erinnerung

Begründet wurde das Gesetz zum Verbot der entgeltlichen Lobbytätigkeit unter anderem mit diesen Worten: „Ziel des Verbots ist es, die Unabhängigkeit der Mandatsträgerinnen und Mandatsträger zu gewährleisten. Ihre Unabhängigkeit ist besonders gefährdet, wenn eigene, monetäre Interessen von Dritten mit der Mandatsausübung als Vertreter des ganzen Volkes (Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 GG) verquickt werden.“

Der Bundestagsabgeordnete Alexander Ulrich (Linke) fungiert als Geschäftsführer der IG Metall Kaiserslautern und darf in dieser Konstellation jeden Monat mehr als 6.100 Euro dazuverdienen, ungeachtet der Tatsache, dass diese (vermeintlich lokale) Gewerkschaft sehr wohl auch auf Bundesebene Interessen vertritt.

Fazit

Bei der konkreten Anwendung beziehungsweise Umsetzung des neuen Abgeordnetengesetzes zur entgeltlichen Lobbytätigkeit gibt es mit Blick auf die eher diffusen und großzügig auslegbaren Regeln noch viel Luft nach oben.

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Beitragsbild: pixabay.com – geralt

Dieser Beitrag wurde am 22.09.2023 erstellt.

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