Politik

Wie finden eigentlich Lobbyisten und Abgeordnete zusammen?

Dafür gibt es extra einen diskreten Verein mit Namen „Gesellschaft zum Studium strukturpolitischer Fragen“ und dieser ist ganz mondän im „Haus des Bundestags“ in Berlin Mitte mit der ansprechenden Adresse „Unter den Linden“ untergebracht. Wer da rein will, muss bei der Pförtnerin eine Anmeldung vorweisen und sich sogleich einer Sicherheitskontrolle unterziehen.

In der ersten Etage gibt es einen lichtreichen Sitzungssaal mit Tischen, die in einem Rechteck angeordnet sind. Hier sitzen sie: die Abgeordneten, die Unternehmensvertreter und jene, die die Public-Relations-Agenturen repräsentieren. Was hier besprochen wird, bleibt in diesen vier Wänden.

Im Jahre 1959 wurde die sogenannte „Strukturgesellschaft“ in Bonn gegründet und organisiert seither Sitzungen, in denen sich Vertreter von Unternehmen und Verbänden mit Abgeordneten treffen können. Anfang Februar 2023 kam es zum Beispiel zu einem vertraulichen Treffen zu dem Rüstungsprojekt „European Sky Shield“. Einige europäische NATO-Mitglieder wollen Waffensysteme beschaffen, mit denen der Luftraum gemeinsam verteidigt werden kann. Ein solches Unterfangen ist erwartungsgemäß ganz im Sinne der Rüstungsindustrie.

Eingebracht wurde das Thema von dem CSU-Abgeordneten Reinhard Brandl, der innerhalb der Strukturgesellschaft den „Beirat Sicherheit und Verteidigung“ leitet. Zufällig gehört er im Bundestag dem Verteidigungsausschuss an und sitzt außerdem in jenem ominösen Gremium „Sondervermögen Bundeswehr“, in dem über Rüstungsanschaffungen in Höhe von 100 Milliarden Euro entschieden wird.

Brandl hat in der Sache zwei „Statement-Geber“ vorgeschlagen. Dabei handelt es sich um Christian Mölling (Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik) und Guido Bendler (MBDA). Dieses Rüstungsunternehmen produziert unter anderem Luftverteidigungssysteme und Bendler ist dort, wie sollte es auch anders sein, Director of Sales.

Die Strukturgesellschaft hat sich selbst so organisiert, dass jeweils ein Bundestagsmitglied den Vorsitz eines jeden Beirats übernimmt, eine Nebentätigkeit übrigens, die unsere Abgeordneten gern mal vergessen anzugeben. Aber wie kommen Abgeordnete überhaupt an solche lukrativen Posten?

Die Strukturgesellschaft erläuterte dazu, dass jeweils die Beiratsvorsitzenden das Thema einer Sitzung und auch die externen Gäste zum Beispiel aus der Forschung oder der Wirtschaft vorschlagen. Dazu bucht der Beirat ebenfalls die Räumlichkeiten im Bundestag, das heißt, sie verschaffen den Lobbyisten einen direkten Zugang.

Die Lobbyisten sind begeistert

Einige Lobbyisten sprechen in Bezug auf die Gesellschaft von einer „Andockstelle“ zu den Abgeordneten. In diesem Zusammenhang mag ein Strategiepapier aus dem Jahre 2008 für die Atomkraftsparte von E.ON von der „Unternehmensberatung für Politik- & Krisenmanagement“ (PRGS) ganz aufschlussreich sein:

Aber ist die Strukturgesellschaft wirklich so wichtig?

Gegründet wurde sie ja Ende der 50er-Jahre in der damaligen Hauptstadt Bonn auf Initiative der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und öffnete sich anderen Parteien erst 1999 nach dem Berlin-Umzug. Heute gehören die meisten Beiräte aber wieder der CDU/CSU-Fraktion an.

Ein ehemaliger Abgeordneter der Union war selbst in der Strukturgesellschaft aktiv und bewertet den Verein als „nicht mehr zeitgemäß“. Da käme nichts bei rum, so drückte er sich aus. Und der ehemalige Grünen-Abgeordnete Gerhard Schick sagt, dass die Strukturgesellschaft kein wichtiges Vehikel des Lobbyismus mehr ist. Entscheidende Einflusskanäle seien vielmehr individuelle Gespräche, die von Agenturen und Verbänden organisiert werden.

Fakt ist, dass die Gesellschaft eine illustre Liste prominenter Akteure aus der Wirtschaft als Mitglieder vorweisen kann. Und als (ehemalige) Beiräte oder Vorstandsmitglieder stoßen wir auf bekannte Namen wie Jens Spahn und Friedrich Merz (CDU) oder Bettina Strack-Watzinger (FDP).

Wer in der Strukturgesellschaft was zu sagen hat

Beliebt sind stets jene, die beide Seiten kennen, also zum Beispiel hochrangige Beamte und ehemalige Abgeordnete, die dann Lobbyisten wurden. Exemplarisch seien an dieser Stelle Ludolf von Wartenberg (CDU) und Siegmar Mosdorf (SPD) zitiert. Ersterer war im Wirtschaftsministerium tätig und wurde später Hauptgeschäftsführer beim BDI und Siegmar Mosdorf war früher Staatssekretär im Wirtschaftsministerium und wurde dann Teilhaber bei der Kommunikationsfirma CNC.

Abschließend möchten wir noch auf die Antwort der Bundesregierung auf eine „Kleine Anfrage“ zum Thema „Einflussnahme von Interessenvertretern auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung“ vom 21.05.2021 hinweisen:

Dabei ging es um einen Gesetzentwurf zur „Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben und zur Regelung reiner Wasserstoffnetze im Energiewirtschaftsrecht“. Dieser Vorgang ist insgesamt so typisch für die unauflösbare Verfilzung von Politik und Wirtschaft in Deutschland.

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Beitragsbild: pixabay.com – Dusan_Cvetanovic

Dieser Beitrag wurde am 17.10.2023 erstellt.

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