Der Abgeordnete Johannes Kahrs (SPD) setzte stolz und medienbeflissen ein Gebäude mitten in ein Modell der Hamburger Forschungseinrichtung DESY (Deutsche Elektronen-Synchrotron), denn er war derjenige, der dem DESY neue Gebäude zukommen ließ. Das war im August 2018, nachdem der Haushaltsausschuss des Bundestages Ende Juni darüber befand, 71.500.000 Euro Sondermittel für die Sanierung des Bestandes und für Neubauten des DESY zu spendieren. Nicht das erste Mal, dass auf Initiative von Johannes Kahrs erhebliche Sondermittel ans DESY flossen, und sicher auch nicht das letzte Mal.

Seit Jahren schon war Kahrs sehr erfolgreich dabei, sich das Direktmandat für Hamburg-Mitte einzuheimsen. Da mag es einen Zusammenhang damit geben, dass Kahrs als haushaltspolitischer Sprecher der SPD schon viele attraktive Projektgelder nach Hamburg lanciert hat.

Am Deutschen Elektronen-Synchrotron geht es vor allem um die Erforschung des Aufbaus der Materie bis ins Kleinste. Dort arbeiteten zu besagter Zeit drei „Freunde“, mit denen Kahrs sowohl politisch als auch persönlich eine enge Bindung pflegt. Tobias Piekatz ist sein ehemaliger Büroleiter, Denny Droßmann hieß früher Krienke und brauchte einen Trauzeugen, das war Kahrs. Arik Willner ist Mitarbeiter am DESY und zugleich in Kahrs‘ SPD-Kreisverband von Hamburg-Mitte politisch aktiv.

Über das „System Kahrs“ haben sich die Medien schon oft den Mund zerrissen, denn Kahrs‘ gut funktionierendes Netzwerk, in dem sich die Mitglieder des mächtigen Kreisverbandes Hamburg-Mitte gegenseitig den Rücken stärken, war und ist geradezu berühmt-berüchtigt. Schon 2014 verriet die „Zeit“, dass das System Kahrs auf Zuwachs und Postenverteilung basiert.
Zwei Jahre später entwickelte sich dann eine sehr enge Verbindung zwischen dem DESY, dem Haushaltsausschuss des Bundestages und dem SPD-Kreisverband Hamburg-Mitte.

Die ersten 30 Millionen Euro Sondermittel gingen im Jahre 2016 ans DESY für dessen Infrastruktur und Modernisierung des „baulichen Erscheinungsbildes“. In der zugehörigen Pressemitteilung bedankt sich die Forschungseinrichtung artig bei den Abgeordneten des Deutschen Bundestages und insbesondere bei dem Hamburger Abgeordneten Johannes Kahrs für die Bereitstellung der Mittel.

Als diese Millionen in Berlin bewilligt worden sind, war der Fraktionschef des Hamburger SPD-Kreisverbandes Arik Willner beim DESY der Chief Technological Officer (CTO). Das war zufällig eine gerade neu geschaffene Stelle. Gegen Jahresende 2016 bewarbt sich ein weiterer „Kahrs-Jünger“, Denny Krienke (heute Droßmann), beim DESY als persönlicher Referent von Arik Willner. Kein Problem, er bekam die Stelle unumwunden.

Der damalige Chef vom Bezirksamt Hamburg-Mitte Falko Droßmann (heute Bundestagsabgeordneter) war der Vierte im Bunde mit Kahrs, Krienke und Willner. Ein Jahr später haben Krienke und Droßmann sogar geheiratet, so innig war die Freundschaft, und Johannes Kahrs ließ es sich auch nicht nehmen, den Trauzeugen zu machen. Willner und Droßmann arbeiten schon seit 2014 eng zusammen, indem der DESY-CTO zunächst Droßmanns Vize als Fraktionschef des Kreisverbandes Hamburg-Mitte war, um in der Konsequenz 2016 dort sein Nachfolger zu werden.

Es sollte noch paar Monate dauern, bis auch Tobias Piekatz beim DESY aufschlug, ebenfalls ein mehr als guter Bekannter von Kahrs, Willner und Droßmann. Letzterer kannte Piekatz noch von der Luftwaffe. 2014 übernahm Piekatz die Büroleitung bei Kahrs und etwas später bekam er Willners Amt als Fraktionschef.

Im Sommer 2018 legten Droßmann und Willner beim DESY eine steile Karriere hin und Johannes Kahrs bemühte sich im Bundestag mal wieder sichtlich, dem DESY etliche Millionen zukommen zu lassen mit dem „erfreulichen“ Ergebnis, dass im Juni 2018 im Zuge der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses beschlossen wurde, 71,5 Millionen Euro ans DESY zu vergeben, und zwar für „nicht-wissenschaftliche Infrastrukturen“. Nur wenige Monate später bewilligte der Haushaltsausschuss nochmals 95 Millionen Euro für die Einrichtung eines „Start-up-Inkubators“.

Damit aber nicht genug, denn Ende 2019 bekam das DESY wieder 15 Millionen Euro Sondermittel für seine nicht-wissenschaftliche Infrastruktur, just in jenem Moment als Kahrs‘ ehemaliger Büroleiter Piekatz zum Projektkoordinator Campusentwicklung ernannt wurde, damit alle Bauprojekte ausschließlich über seinen Tisch gehen.

Wenn der Geldhahn zugedreht wird

Sehr schlechte Nachricht: 2020 versagte die SPD-Fraktion im Bundestag die von Johannes Kahrs angestrebte Position als Wehrbeauftragter. Dies mag mit den Cum-Ex-Berichterstattungen über ihn in einem Zusammenhang gestanden haben. Im Mai 2020 trat er dann auch von allen Posten zurück und verließ sogar den Bundestag. So schlimm ist das aber vielleicht auch nicht, denn bei der Bundestagswahl 2021 bekam ja Falko Droßmann das Direktmandat für Hamburg-Mitte, das er nun von seinem Trauzeugen Kahrs übernahm.

Inzwischen sind Droßmann und Willner zu den Geschäftsführern von „Start-up Labs Bahrenfeld“ befördert worden und Piekatz „lenkt“ für Bauprojekte eine Lenkungsgruppe, die nach eigenen Worten wie ein Filter fungiert, indem dort die Projekte auf ihre Umsetzbarkeit hin geprüft und Priorisierungsvorschläge ausgesprochen werden.

Willner ist indes außerdem Lobbyist fürs DESY geworden. In 2020 gab die Forschungseinrichtung gemäß Lobbyregister mehr als 170.000 Euro für ihre Interessenvertretung aus, gut investiertes Geld, hat doch der Haushaltsausschuss erst vor Kurzem wieder Sondermittel fürs DESY in Höhe von 40 Millionen Euro freigegeben.

Aber wo ist eigentlich Johannes Kahrs abgeblieben?

Er hat längst eine eigene Unternehmensberatung aufgemacht und verdient als Lobbyist gutes Geld, kein Grund also, dass wir uns um ihn Sorgen machen müssten. Laut dem Geschäftsbericht von 2021 lag der Umsatz von Kahrs‘ „Duckdalben Consulting GmbH“ bei immerhin 1,9 Millionen Euro, so schätzte es jedenfalls das Unternehmensportal North Data ein.

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Beitragsbild: unplash.com – yulia buchatskaya

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