Politik

Braucht die deutsche Chemie wirklich einen Exklusivgipfel?

Am 20. Februar 2024 fand auf dem Gelände der BASF in Antwerpen ein Chemiegipfel statt. Als prominente Teilnehmer aus der Politik wären der belgische Premierminister Alexander De Croo und die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu nennen.

In den letzten Jahren hat sich die EU schon oft in die (inneren) Angelegenheiten mächtiger Industriezweige eingemischt, um dort ihre Regeln zum Schutz von Umwelt und Klima durchzusetzen. Nicht selten waren diese Aktivitäten von „Erfolg“ gekrönt.

Allein der deutschen Chemieindustrie ist es bislang gelungen, sich dieses Würgegriffs zu entziehen. Nennenswerte Einschränkungen bei der Produktion und dem Verkauf problematischer Chemikalien wie Pestizide – Fehlanzeige.

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Bei diesem Chemie-Gipfel ging es um die „Zukunft des Sektors“, die mit dem Abschluss eines „EU Industrial Deal“ gesichert werden soll. Dahinter verbirgt sich der feste Wille, die Wettbewerbsbedingungen innerhalb und außerhalb des EU-Binnenmarkts zu verbessern.

Der deutsche „Verband der Chemischen Industrie“ weist auf seiner Webseite extra darauf hin, dass der Green Deal mit einer Wachstumsagenda verknüpft sein muss, nicht aber eine Deindustrialisierung Europas zur Folge haben darf.

Zum Gespräch geladen wurden ausschließlich Vertreter der Industrie, obwohl derart mächtige Akteure ohnehin ständig einen privilegierten Zugang zur Politik haben. Was von dem ganzen Getöse zu erwarten ist, ist schon klar: Die Chemie-Industrie fordert für ihre Planungssicherheit in Deutschland eine Garantie dafür, dass sie weiterhin nicht mit Regulierungen behelligt wird.

Dabei beinhaltet die Agenda des Green Deal, der das Ziel verfolgt, dass Europa bis 2050 klimaneutral wird, auch das Verbot von besonders schädlichen Chemikalien in unseren Konsumgütern, das übrigens schon 2022 umgesetzt worden sein sollte. Zu diesem Zweck sollte extra die EU-Chemikalienverordnung REACH reformiert werden. Diese reguliert nämlich die Bedingungen, unter denen Stoffe überhaupt auf den europäischen Markt kommen dürfen.

Diese Reform wird aber aller Voraussicht nach in dieser Wahlperiode nicht mehr kommen, denn die Chemieindustrie, allen voran der ehemalige BASF-Chef Brudermüller, argumentiert vehement, dass angesichts der vielen Krisen in dieser Welt im Verein mit den schier unbezahlbaren Energie- und Rohstoffpreisen weitere Belastungen unweigerlich zu einem Abwandern der großen Industriebetriebe aus Deutschland und Europa führen werden, was hierzulande Tausende lukrativer Arbeitsplätze auslöschen würde.

Zwar kann man stur das Narrativ aufrechterhalten, dass sich die Chemiebranche vom billigen russischen Erdgas „abhängig gemacht“ habe, auf der anderen Seite ist es sehr wohl die Aufgabe der Politik, den Leistungsträgern im Lande optimale Rahmenbedingungen zur Verfügung zu stellen. Dass die Sanktionen gegen Russland fast ausschließlich nur Deutschland geschadet haben, ist inzwischen offenkundig.

Was hier aber völlig außer Acht gelassen wird, ist die Tatsache, dass wirtschaftspolitische Regelungen zum Schutz von Umwelt und Gesundheit in aller Regel eine überaus sinnvolle Investition in die Zukunft sind. Die EU-Kommission ist jedenfalls von den positiven Auswirkungen der REACH-Reform überzeugt, werden doch die Einsparungen im Gesundheitswesen durch das Verbot giftiger Chemikalien die vermeintlichen Belastungen der Industrie um das Zehnfache übertreffen.

Besonders beeinflussbar von der Lobby-Arbeit der Chemieindustrie scheint die Europäische Volkspartei (EVP) zu sein, allen voran eine ganze Reihe von Mitgliedern, die der CDU/CSU nahestehen, ausgenommen die Kommissionspräsidentin, die an der Formulierung der neuen Regeln beteiligt war.

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Was hat es mit den „Ewigkeits-Chemikalien“ auf sich?

Die EU-Kommission und der Rat der Umweltminister hatten vor allem die sogenannten „Ewigkeits-Chemikalien“ im Visier. Es handelt sich dabei um eine Gruppe von besonders langlebigen Chemikalien, die sich in den Gewässern und den Böden immer mehr anreichern und den Weg zurück in die Nahrungskette finden. Daraus resultieren vielfältige Phänomene wie eine Verminderung der Wirkung von Impfungen, negative Einflüsse auf die Fruchtbarkeit oder intensive Schädigungen von Leber und Schilddrüse sowie eine erhöhte Krebsrate.

Einzelne besonders schädliche Stoffe lassen sich hier nur schwer isolieren, daher haben die Umweltbehörden aus fünf Ländern (auch Deutschland) ein umfassendes Verbot der per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS) beantragt, was der chemischen Industrie ganz und gar nicht gefiel. Deshalb steht die Entscheidung hierzu noch aus.

PFAS sind unter anderem in Batterien und Halbleitern enthalten, das heißt, die angestrebte Energiewende kann ohne diese Stoffe nicht funktionieren. Nachdem diese Einsicht an Bundeskanzler Olaf Scholz herangetragen worden ist, sprachen sich dieser und Wirtschaftsminister Robert Habeck sogleich gegen ein „pauschales, undifferenziertes Verbot dieser Stoffklasse“ aus, was nicht gerade auf den Beifall von Umweltministerin Steffi Lemke stieß.

Glyphosat ist wieder im Rennen

Erneut von der EU-Kommission sogleich für zehn Jahre genehmigt wurde das Pestizid Glyphosat ungeachtet des Hinweises auf fehlende Daten über die Risiken für die Artenvielfalt von der zuständigen europäischen Lebensmittelbehörde EFSA. Nach massiven Protesten seitens der Industrie und Landwirte hat Ursula von der Leyen den Plan, schädliche Pestizide bis 2030 zu halbieren, zurückgezogen.

Warum ist die Chemie-Lobby so erfolgreich?

Allein in 2023 haben die deutschen Chemie-Riesen Bayer und BASF sowie Industrieverbände wie VCI gemäß dem EU-Lobbyregister 33,5 Millionen Euro für ihre Lobbyarbeit bei EU-Institutionen ausgegeben. Wie einfach Lobbyarbeit zum Teil bei BASF funktioniert, können Sie zum Beispiel in dieser Studie nachlesen.

Fakt ist, dass die EU-Kommission vor der geballten Ladung an Lobbymacht der Chemieindustrie einen nach dem anderen ihrer eigenen guten Vorschläge zurückzieht und das, obwohl jeder weiß, dass Gemeinwohl wie Gesundheit und Nachhaltigkeit immer politischen Vorrang gegenüber wirtschaftlichen Konzern-Interessen haben muss.

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