Es begann 2014. Der US-Konzern Uber war fest entschlossen, in deutschen Großstädten Fuß zu fassen, doch das war nicht so einfach. Das Konzept dahinter: Fahrdienstevermittlung via App. UberPOP hat sich zum Beispiel zum Ziel gesetzt, dass neben Taxis auch Privatpersonen Fahrgäste befördern dürfen, wobei das Unternehmen dafür eine Vermittlungsgebühr kassiert.
Aber so etwas schmeckt dem regulierten deutschen Taxi-Markt nicht im Geringsten. Die deutschen Gerichte jedenfalls sehen in Uber mehr als nur ein digitales Start-up, welches eine App zur Verfügung stellt. Sie sehen tatsächlich einen Fahrdienst, der eine Lizenz benötigt und dafür örtliche Niederlassungen gründen muss, die in Deutschland steuerpflichtig sind.
Was hat es mit den Uber Files auf sich?
Es handelt sich um über 124.000 vertrauliche Dokumente aus anonymer Quelle, die dem Guardian zugespielt wurden. Darin ist so einiges über Ubers Lobby-Praktiken in der Zeit von 2013 bis 2017 nachzulesen. Ausgewertet wurde diese Flut von Informationen durch ein 180 Köpfe starkes, internationales Team von Journalisten, das vom Guardian und dem Internationalen Konsortium Investigativer Journalistinnen und Journalisten (ICIJ) koordiniert wurde. In Deutschland bearbeiteten Mitarbeiter von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung die Uber Files.
Uber hatte alle Hände voll zu tun, die bestehende Gesetzeslage und die öffentliche Meinung in Deutschland geradezubiegen. Gleich vier Agenturen bemühten sich um Ubers Auftritt in Deutschland, was nicht ganz billig war, denn pro Monat kostete das dem Unternehmen mehr als 150.000 Euro. Koordiniert wurde die Lobby-Kampagne unter anderem von dem Rechtsanwalt Otto Fricke, der heute haushaltspolitischer Sprecher der FDP im Bundestag ist.
Kurz nach seinem Ausscheiden aus dem deutschen Bundestag stieg Fricke 2013/2014 als Partner bei der Lobbyagentur CNC Communications & Network Consulting in München ein, wo er nach eigener Aussage für gut ein halbes Jahr die Verantwortung für Uber übernahm.
Seine Aufgabe bestand unter anderem darin, Dienstleistungen weiterer Beratungsunternehmen „zu strukturieren“, indem er Kontakt zum damaligen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt aufnahm, verschiedene Parlamentarische Staatssekretäre und einen Abteilungsleiter im Verkehrsministerium traf sowie mit Jens Spahn gesprochen hat.
Direkt nach seiner Tätigkeit als Lobbyist wechselte Fricke im Oktober 2017 zurück in die Politik. Andreas Polk ist Professor an der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht und arbeitet an Themen zum Lobbyismus. Über mehrmaligen Seitenwechsel zwischen Lobbyismus und Politik sagt er, dass dies grundsätzlich nicht illegal sei, die Frage sei aber, ob wir wirklich solche Abgeordneten haben wollen.
Worum ging es Uber eigentlich?
Das deutsche Personenbeförderungsgesetz behinderte Ubers Kerngeschäft und sollte deshalb geändert werden. Uber wies seine deutschen Mitstreiter und auch Fricke explizit an, absolutes Stillschweigen über ihre Tätigkeit für Uber zu bewahren. Im Fokus stand eine direkte Einflussnahme auf die deutsche Politik. Dabei ging es auch um Daten über die Entscheidungsträger wie dem damaligen Verkehrsminister Dobrindt, seiner Staatssekretärin Dorothee Bär, weiteren Bundestags- und Landtagsabgeordneten sowie Bürgermeistern und Mitarbeitern in Landratsämtern.
Besonders begehrt war bei den Lobbyisten Dorothee Bär, denn der damalige Verkehrsminister Dobrindt wollte mit der ganzen Thematik nichts zu tun haben. Auch Fricke traf sich mit Bär. Im Oktober 2015 besuchte sie zusammen mit Dobrindt das Silicon Valley und somit auch die Uber Zentrale. Ihr sollte dort ganz besonders viel Aufmerksamkeit, also „viel Liebe“ geschenkt werden, so jedenfalls drückte es damals Ubers Cheflobbyist für Europa aus. Fünf Monate später kam es zu einem weiteren Treffen mit Bär, bei dem sie sich damit einverstanden erklärt habe, das Personenbeförderungsgesetz Stück für Stück zu ändern.
Auch Aufträge an Juristen und Wissenschaftler gehörten zu Ubers Werbetrommel. So verfasste zum Beispiel der Verfassungsrechtler und ehemalige Verteidigungsminister Rupert Scholz ein willfähriges Gutachten für das Unternehmen.
Die deutschen Taxifahrer sind zornig
Tatsächlich entpuppte sich der deutsche Markt für Uber als überaus schwierig. Die Gründe dafür lagen ganz offensichtlich an einem „erbitterten Widerstand von Taxi Deutschland“, denn der Verbund aus Taxiunternehmen hat mehrmals geklagt und auch Recht bekommen. Im Herbst 2014 hatte Uber die Faxen dicke und wollte eine Privatdetektei beauftragen mit der Zielrichtung, „negative Informationen“ über Führungskräfte von Taxi Deutschland zu suchen. Taxi Deutschland war darüber ganz und gar nicht amüsiert und nannte dies „Mafia-Methoden“.
Unverbesserliches Uber?
Trotz mehrerer abschlägiger Gerichtsurteile wurde der Service UberPOP weiter in deutschen Städten angeboten. Zudem wurden „kreative Wege“ gefunden, die Fahrer weiterhin (heimlich) zu bezahlen. Dies war auch Fricke nicht entgangen. „Otto möchte einen etwas versöhnlicheren Ansatz verfolgen, der möglicherweise im Widerspruch zu unserem bevorzugten Ansatz steht“, hieß es zum Beispiel in einer E-Mail der Uber Files.
Tatsächlich tritt der US-Konzern seit 2015 etwas gemäßigter auf, wobei auch das Angebot an Fahrdiensten den deutschen Animositäten angepasst wurden. So werden in Berlin sogar „normale“ Taxifahrten mit angeboten.
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Dieser Beitrag wurde am 04.09.2022 erstellt.